Warum uns ein regionaler OnlineMarktplatz gut tun würde
Oliver Grau
05.10.21 12:29

Wir haben uns ja nun schon etwas länger mit dem Thema beschäftigt und ganz ehrlich, in den Arbeitsgruppen dazu wurden sämtliche kritischen Argumente hoch und runter diskutiert. Viele sogar mehrmals.
Vielleicht muss man für das Verständnis etwas weiter ausholen.
Vor Jahrhunderten haben Städte angefangen Marktplätze zu errichten wo Händler ihre Waren anbieten konnten. Plötzlich konnten die Bewohner einer Stadt auf einen Blick alle Waren sehen. Wussten was verfügbar ist, konnten auswählen, kaufen und man munkelt sie haben sogar für die Woche drauf Waren vorbestellt. Das war lohnenswert. Die Stadt gewann an Attraktivität, neue Bürger ließen sich nieder da es Waren gab und die Händler fanden Absatz. Steuereinnahmen halfen der Stadt weiter zu investieren und zu wachsen. Später gesellten sich dann sogar Handwerker und Dienstleister mit auf den Marktplatz und es wurde sogar auf diesem gefeiert.
Städte wie Saalfeld haben seit jeher in ihrem Personalplan einen sogenannten Marktmeister bzw. eine Marktmeisterin. Diese/r kümmert sich um den Markt und seine Händler, organisiert Strom, Wasser, Stellplätze und sogar Feste. Die Sanierung des Marktplatzes hat die Stadt 2013/2014 2,5 Mio Euro gekostet. Die Personalstelle Marktmeister/in kostet selbstverständlich jedes Jahr ein Gehalt.
Der Marktplatz von heute hat sich zu dem von vor hunderten Jahren natürlich gewandelt. Heute gibt es Supermärkte, Einkaufsmalls und den Onlinehandel. Unsere Waren werden uns von überall her nachhause gefahren oder wir holen sie in großen Hallen an der Straße ab. Wir müssen nicht mehr zwingend auf den Marktplatz. Trotzdem gibt es ihn noch. Er wird genutzt und gefördert. Zu recht. Sonst gäbe es kaum noch die Gelegenheit regionale Produkte zu kaufen. Die großen Ketten und Filialen machen es uns einfach, aber sie verdrängen auch regionale Erzeuger und Händler. Unsere Dinge des täglichen Bedarfs kommen von überall her, aber immer weniger aus der Region.
Will man regionale Waren beziehen hat man es nicht leicht. Man weiß oft nicht was es überhaupt gibt, wo und ob es verfügbar ist, man muss erst hinfahren oder man schafft es einfach nicht vor Ladenschluss dort zu sein. Die große Filiale der Handelskette XY macht es einem da viel leichter, günstig gelegen, Parkplätze vor der Tür und bis 20:00 oder sogar 22:00 Uhr geöffnet. Sonderangebote gibt es obendrauf und der Prospekt dazu liegt schon im Briefkasten. Wem das zu kompliziert ist, der bestellt online und kann es sich mancher Orts sogar nachhause liefern lassen. Sehr bequem, aber eben nicht von hier.
Wo zahlen die eigentlich ihre Steuern? Unterstützen die regionale Vereine, Feste und Aktionen? Engagieren die sich für ein schönes Stadtbild? Beleben die die Innenstadt? Sind Kartoffeln aus Ägypten gut für unsere Landwirtschaft? Müssen Erdbeeren wirklich aus Spanien kommen? Wäre es nicht viel nachhaltiger Waren von hier zu kaufen, als sie erstmal hunderte Kilometer anfahren zu lassen?
Bei einem regionalen Onlinemarktplatz geht es also nicht darum einen Amazon-Verschnitt aufzusetzen. Es geht darum regionale Wirtschaftskreisläufe zu stärken. Die > Sichtbarkeit < von regionalen Erzeugern, Händlern, Dienstleistern und ihren Produkten zu erhöhen und die regionale Identität zu stärken.
In der Pandemie haben wir gemerkt, dass es eng werden kann wenn Waren plötzlich nicht mehr lieferbar sind. Auch England kann da gerade ein Lied von singen.
Regionale Wirtschaftskreisläufe machen unabhängig, sind nachhaltig und stärken die Stadt sowie die Region.
Es ist im ureigensten Interesse, dass der Staat bzw. die Kommune hier unterstützt und ein Zeichen zur Stärkung setzt. Dies kann er tun in dem er die notwendige Infrastruktur schafft. Die Unternehmen müssen dann freilich auch mitziehen. Daher ist es sehr erfreulich, dass so viele bereits Interesse gezeigt haben und mitziehen wollen.
Zu argumentieren, dass müsse alles der freie Markt allein regeln, der sei an den schleppenden Internetausbau erinnert.
Wie der Markt aus Stein, muss der digitale Markt einer Region nicht kostendeckend sein. Die Aufgabe eines Marktplatzes sind, wie oben beschrieben, viel größer und wertvoller. Rechnen wird er sich aber, genau wie der vor hunderten Jahren. (OG)